Leider liegt es nicht in meiner Macht, bei diesem Krieg zu vermitteln

Ich wurde darum gebeten, bei dieser Gedenkveranstaltung etwas zum Ukraine-Krieg aus sozialpädagogischer Sicht zu sagen. Sozialpädagogik und ein Krieg? Wie passt das zusammen?

Was bedeutet überhaupt Sozialpädagogik? Was ist mein Job als Schulsozialarbeiter? Es ist ein Beruf als Helfer. Im Idealfall setzt er aus meiner Sicht vor einem Konflikt an, um ihn zu verhindern. Er greift in einem Konflikt ein, um zu vermitteln. Er setzt nach einem Konflikt an, um einen Ausgleich zu finden.

Leider liegt es nicht in meiner Macht, bei diesem Krieg zu vermitteln. Als Sozialpädagoge arbeite ich mit Menschen, die ich erreichen kann. Aber was kann ich mit den Menschen erarbeiten? Mir kamen Begriffe wie Verzeihen in den Sinn. Ich bin froh, dass mir als deutschem Staatsbürger heute verziehen wird. Dass die Taten meiner Vorväter sich nicht auf mich auswirken und dass ich das Gefühl habe, dass mir niemand etwas nachträgt. Ich dachte an den Begriff Dankbarkeit. Dankbarkeit für ein Land im Frieden. Nachdem wir lernen mussten, wie zerbrechlich der Friede sein kann, bin ich dankbar für diesen Frieden und für meine Mitmenschen.

Aber der aktuelle Konflikt ist zu präsent. Wie soll man verzeihen? Wie kann man Dankbarkeit verspüren? Also musste noch eine andere Sicht auf meinen Beruf und den Konflikt her. Ein Satz, den ich über meinen Berufsstand gelesen habe, war: Die Sozialpädagogik fördert den selbstständigen Umgang von Menschen mit ihrer Umgebung und der Gesellschaft und wirkt präventiv - also im Voraus - auf soziale Benachteiligungen ein.

Und da finde ich die sozialpädagogische Sicht auf den Krieg! Nicht in dem Konflikt selbst, sondern in den Menschen, die zu uns gekommen sind. Die Schutz suchen, Sicherheit für sich und ihre Kinder. Diesen Menschen verpflichtet, sie zu schützen und zu fördern, zu ermutigen, ein selbstständiges Leben ohne Furcht zu leben – das ist Teil meines beruflichen Auftrags. Es geht dabei auch um unser Zusammenleben und um unseren Zusammenhalt untereinander. Es ist auch die Frage nach dem, was wir wollen. Wie wollen wir als Gesellschaft zusammenleben? Wie gehen wir mit den Geflüchteten um? Wie wollen wir Frieden erhalten? Nicht nur in Europa, sondern unter uns, als Freunde und Nachbarn.

Nach vielem Grübeln über meinen Beruf als Helfer und diesem großen politischen Konflikt denke ich, dass wir als Mitmenschen wichtig sind. Und ich sehe in der Schule, wie soziales Leben gelebt werden kann. Ich sehe Ukrainer:innen, die unterstützt und gefördert werden. Ich sehe russische Mitschüler:innen, die bei der Übersetzung helfen. Ich sehe Lehrkräfte, die viele Stunden an Arbeitszeit aufwenden. Und ich sehe mich, als Knotenpunkt und Vermittler zwischen vielen Menschen.

Alle diese Gedanken habe ich mir gemacht, laut ausgesprochen und so mit euch geteilt. Mit der festen Überzeugung, dass wir alle zusammen unser Leben gestalten können. Solange dieser Konflikt noch andauert und darüber hinaus, wäre es schön, euch als Unterstützer:innen zu wissen. Damit wir alle selbstbestimmt und eigenständig trotz schwieriger Umstände eine gerechte Gesellschaft schaffen. Wir als Schulgemeinschaft können dazu beitragen. Lasst uns dabei mithelfen, unser Leben und das von vielen anderen besser und gerechter zu machen.

Text: Nils Sommerfeld, Schulsozialarbeiter; Fotos: W. Kuschke, Schatz-Anders

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